Heute trägst du deine Liebe für die Szene als Teil des Brutz & Brakels weiter. Wie vernetzt seid ihr mit anderen Metalkneipen der Region?
Marcus: Kontakte sind natürlich sehr wichtig. Aber noch viel wichtiger ist es, nicht nur eine Sache kopieren zu wollen, die vielleicht bei jemand anderes gut läuft, sondern mit Herzblut dabei zu sein. Das merken die Leute auch.
Weißt du, was die „Beast Bastards“ sind? (Ne.) Das ist ein Zusammenschluss aus dem Skullcrusher Dresden, Chronical Moshers, Heavy Metal – nix im Scheddel aus Leipzig, den Metalheadz aus Markleeberg, das Brutz & Brakel und seit Neuestem auch das Protzen Open Air. Wenn du diese Punkte auf der Landkarte miteinander verbindest, siehst du ein umgedrehtes Kreuz. Das passt also ganz gut. (lacht.) Alle befruchten sich untereinander und unterstützen sich. Und sei es nur, dass man bei Facebook Veranstaltungen teilt. Das machen wir alle auch wirklich gern!
Das Brutz & Brakel veranstaltete, wie du bereits erwähnt hast, das „Stromgitarrenfest“: Habt ihr das Festival 2010 ins Leben gerufen, weil es um die Berliner Szene mau bestellt war oder war es einfach die richtige Zeit, das umzusetzen?
Marcus: Um die Szene war es nicht unbedingt mau bestellt. Wir hatten aber das Gefühl, dass Berlin eine Weile lang von Bands als Konzertort gemieden wurde. Weil die Stimmung einfach nachgelassen hatte – im Berliner Westen wie im Osten.
Die Szene damals im Osten zu DDR-Zeiten war gut, ich will ihr aber nicht nachtrauern. Ich glaube, so etwas wird so nicht wiederkommen. Die Leute sind auf Konzerte gegangen, weil sie abgehen wollten und nicht irgendwo hinten in der Ecke mit verschränkten Armen stehen wollten. Ab dem ersten Song sind wir komplett mitgegangen und haben die Bands unterstützt. Das gibt es so heute leider nicht mehr unbedingt.

Prowler @ Stromgitarrenfest 2014 |© Laura Vanselow
Das „Stromgitarrenfest“ war eine Herzensangelegenheit: Wir wollten ein paar Bands unterstützen. Überraschend war dann zu sehen, dass mehr als die Hälfte des Publikums nicht aus Berlin kam. Die Leute sind von überall her angereist: Irland, England, Holland, Belgien, Polen, Tschechien und sonst wo. Die Szene an sich stimmt also noch, in Berlin ist man aber satt.
Aber es gibt sogar manche, die sich über „noch so eine Kneipe“ beschweren. Als wir vor acht oder neun Jahren die Kneipe eröffneten, war das nur, weil wir Bock darauf hatten. Wir haben einfach unser ganzes Erspartes auf einen Haufen geworfen und gucken, was passiert. Wenn die Kohle alle ist, müssen wir halt zumachen. Noch sind wir da.
Du bist also kein Vollzeitkneipier?
Marcus: Gar nicht, die Kneipe hat drei Tage in der Woche auf. Am Donnerstag wird meistens nur saubergemacht, da kommen auch wenige Leute. Freitag und Samstag sind dann die Partytage. Es ist ärgerlich, wenn einige es abfeiern, dass wir eine Metalkneipe sind, aber dann entweder nicht kommen oder nebenan sitzen und Flaschenbier für 1,50 € von der Dönerbude trinken. Damit macht man die Szene kaputt. Es gibt schöne Metalkneipen in Berlin: Blackland, Halford oder Yard sind alles Freunde von uns, wo wir selbst auch gern mal hingehen. Das Halford etwa gehört Sven Rappoldt, der zu DDR-Zeiten bei Metall gespielt hat. Seine damalige Freundin war in meiner Schulklasse, daher kannte man sich. Er macht die Kneipe jetzt schon seit 25 Jahren und seine Band gibt es übrigens auch wieder!
Unsere Kneipe gibt es mittlerweile seit neun Jahren, den Namen „Brutz & Brakel“ seit 16 Jahren und so sind wir alle da, um die Leute zusammenzuführen. Gemeinsam Metal hören, Partys machen oder einfach nur Spaß zu haben.
Es gibt leider jedoch immer wieder Leute, die dieses oder jenes scheiße finden und sich künstlich über irgendwelchen Dreck aufregen. Sowas kotzt mich echt an: Sitzen zu Hause und bekommen eigentlich nicht viel für die Szene auf die Reihe, pöbeln aber im Netz oder sonstwo rum. Zu Veranstaltungen, Partys o. ä. kommen die Typen kaum oder mäkeln an allem rum. Was soll das? Wenn ich was nicht mag oder nicht gut finde, gehe ich halt nicht hin und halte mein Maul, aber warum muss ich dann noch den Veranstaltern oder Kneipenbesitzern in die Suppe spucken und alles schlecht machen?
Kannst du denn eine Eigenschaft der Berliner Szene ausmachen? Außer, dass sie scheinbar gern mäkelt?
Marcus: Vor Kurzem hätte ich noch gesagt, dass Berlin ein bisschen lahm ist. Das ist nicht mehr ganz so, denn die „Nachgewachsenen“, die so um die zwanzig oder dreißig Jahre alt sind, haben mehr Biss als die Alten. Die Alten können scheinbar nicht mehr so richtig. Vor einiger Zeit war es so, dass bei Konzerten von uns woanders mehr Alarm war, als wenn wir mit Postmortem in Berlin gespielt haben. Das ist jetzt nicht mehr so. Die letzten Konzerte im HOF23 waren der Knaller.
Ich finde aber nicht, dass Berlin überlaufen oder übersättigt ist. Die Leute sind nur träge. Da kann ich aber bei mir vor der eigenen Haustür kehren, ich bin auch manchmal fertig und gehe dann nicht mehr los. In Berlin muss man den Krug jetzt an die Jüngeren weitergeben! Da gibt es genug Leute, die Flyer machen, Fanzines gestalten oder eben eine Kneipe aufmachen. Das ist auch die Szene.
Und in Berlin ist es friedlich, niemand bekriegt sich hier wirklich. Für uns war es sogar so, als das letzte „Stromgitarrenfest“ 2015 abgesagt werden musste, gleich der Anruf vom Blackland kam, ob wir nicht deren Laden für die Veranstaltung übernehmen wollen. Ich glaube, sie hätten uns sogar den Tresen überlassen. Da merkst du, dass es Freunde sind. Obwohl man sich gar nicht andauernd sieht. Das macht die Szene aus. Ich habe das Gefühl, dass es bei einigen Jüngeren nicht so doll im Herzen ist oder vielleicht ein bisschen oberflächlicher ist.
Aber es gibt echt coole Leute in der Szene, die nicht nur auf Kohle aus sind, sondern die wirklich unterstützen wollen. Bestes Beispiel sind das Protzen oder das Headache Inside, die immer Bands dabei haben, die noch keiner auf dem Plan hatte.
Wenn wir in die Zukunft schauen, welche Projekte und Wünsche hast du?
Marcus: „Stromgitarrenfest“. Wir standen kurz davor, dass es in diesem Jahr wirklich wieder geklappt hätte. Leider haben wir vor ein paar Wochen die Absage gekriegt, da sich die Location in der Langhansstraße erledigt hat. Dort möchte man das nicht mehr machen. Eine andere Idee hat leider auch nicht geklappt. Ich weiß gerade nicht, wie wir es umsetzen können. Als wir das „Stromgitarrenfest“ beim letzten Mal absagen mussten, war das schon hart. Wir hatten alles fertig, die Bands standen, es gab sogar zwei Exklusivshows und zwei Reunionshows. Das ärgert mich ein bisschen. Sollten wir es schaffen, eine Location zu finden, die für uns passt, würden wir es einfach wieder von vorne planen. Wir müssen es auch so machen, dass wir die „Brutz & Brakel“-Drinks ausschenken können. Sonst wäre es halt keine B & B-Veranstaltung!
Bei Postmortem haben wir derzeit etwas die Handbremse angezogen. Vorher gab es einen Zweijahresrhythmus aus Platte veröffentlichen – Konzerte geben – neues Material vorbereiten und so weiter. Das haben wir für uns selbst infrage gestellt und wollten auch das Publikum nicht zu sehr überfüttern. Nächstes Jahr wollen wir dann die neue Platte angehen. Zuerst wird es aber ein Konzert von uns in Berlin geben. Die Leuten fragen uns ständig, wann wir denn endlich wieder in Berlin spielen. (lacht.)
Wer hätte gedacht, dass ich mal in so einer Band wie Postmortem spiele? Die Orte, an denen wir schon gespielt haben oder dass ich auf der gleichen Bühne wie Slayer stehen würde oder K.K. Downing, dem Gitarristen von Judas Priest, mal die Hand schütteln und unsere Platten geben würde. Das sind so Sachen, da weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Ganz egal, wie groß wir sind. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es so läuft. Alles, was jetzt kommt, ist nur noch Bonus. Ich kann Platten rausbringen! Die ich nicht selbst finanziere, sondern eine Plattenfirma vorfinanziert. Die weltweit vertrieben werden und irgendwo auf der Welt gehört werden. Ist doch geil! Was sollte ich noch für Träume oder Wünsche haben? Gesundheit wünsche ich mir für alle aus meinem Umfeld und mich! (lacht.) Darauf schnell ein Bier erhoben!
Welches ist dein Lieblingsfestival?
Marcus: Das ist fies. Kann ich die alle in einem Wort zusammen sagen? (lacht.) Von den großen Festivals ist es eindeutig das PartySan. Das sind unsere Freund seit eh und je. Das ist auch sowas wie unsere zweite Heimat. Wir haben beide Umzüge mitgemacht. Wir werden immer fair behandelt und haben da eine Menge Spaß. Aber das ist ein großes Festival, die brauchen keine Werbung. (lacht.)
Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf dem Underground. Da mag ich vor allem die Festivals, die im Rahmen der „Beast Bastards“ veranstaltet werden: Headache Inside, Protzen Open Air, im Oktober das Skullcrusher Festival in Dresden, Chronical Moshers und die Heavy Metal – nix im Scheddel-Sachen oder die Markleeberg Metalheadz sind immer gut. Aber selbst bei den allen ist es so, dass die eigentlich keine Werbung mehr brauchen, da sie teilweise ausverkauft sind, siehe Chronical Moshers oder Protzen. Die Szene wird sich dahingehend auch nicht gesundschrumpfen oder verkleinern.
Für mich kommt auch noch das RUDE hinzu, da die Location und die Bandauswahl super sind. Da steckt ebenfalls richtig Liebe drin. Und dann noch das Tank mit Frank. Bei ihm war es auch so wie bei uns, dass er einfach aus einer Bierlaune heraus damit begonnen hat. Ursprünglich hatte er Geburtstag und wollte eine bekanntere Band spielen lassen. Auf einmal hatte er 500 Menschen auf seiner Terrasse, die mit ihm feierten. Und ab dem nächsten Jahr fand das schon auf dem benachbarten Feld statt. Bei Tank mit Frank fühlt man sich auch als Band sehr wohl, für alles ist gesorgt und die Mutter hilft in der Küche mit.
Lieblingskünstler aus Berlin oder Brandenburg?
Marcus: Das ist schon wieder Eigenwerbung, aber unser Sänger Putz. Er macht auch unser ganzes Artwork für Postmortem, alle Flyer und die Trikotage fürs Brutz & Brakel. Der überrascht uns jedes Mal. Sonst haben wir nie mit Coverkünstlern zusammengearbeitet. Er hat immer coole Ideen und ist für mich wirklich ein Künstler. Außerdem hat er einen schönen Knall und mit so was kann ich gut umgehen! Sonst kenne ich noch Ron Schaffer von Necrosist aus Prenzlau. Er zeichnet z. B. auf Leinwände mit Öl, richtig gute Sachen.
Lieblingsband aus Berlin?
Marcus: Da habe ich mir ehrlich gesagt noch nie Gedanken drüber gemacht. Spontan fallen mir First Aid ein, weil die einen schönen Knall im Kopf haben. Die machen das so, wie sie wollen. Dann gibt es Bands, wie Harmony Dies, die auch schon ewig dabei sind. Kai ist da glaube ich der alte Captain, der das Schiff mit stoischer Ruhe auf Kurs hält. Die aktuelle Platte ist auch der Brecher. Necromorph, Dehuman Reign und Space Chaser sind ebenfalls richtig geil. Unser Trommler covert in einer anderen Band, Attacktion, auch noch dieses ganze Oldschool-Zeug, z. B. Metal Church oder Agent Steel. Unperfect Strangers covern auch, aber nur mit Gesang, Gitarre und Cajon. Das sind natürlich auch Freunde von uns. Was gibt’s noch? MAAT haben einfach Bock, ziehen ihr Ding scheinbar durch und so soll es sein. Das sind auch die Leute, die damit weiterkommen. Das ist besser als das beste und teuerste Equipment zu haben.
Oder wolltest du große Bands von mir hören? Depressive Age fand ich immer geil, gibt’s leider nicht mehr. Da könnte ich echt ein bisschen heulen, war eine sehr geile Band. Und, ohne mit der Wimper zu zucken: Rammstein. Die ziehen ihren Stiefel durch und stecken alle in den Sack. Auch wenn das kein direkter Metal ist, höre ich mir das immer wieder gerne an. Till hat in meinen Augen die Gabe fantastische Texte zu schreiben und auch rüberzubringen. Das ist Unterhaltung! Darauf kommt es ja an, wa!?
Ich habe bestimmt wieder diverse Bands vergessen aber nun ja, ick bin alt! (lacht.)
Vielen Dank für das sehr sympathische und herzliche Interview!
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