Cany the Kizard – No limitations for the mind

Nils aka Cany zeichnet fantastische Graffitis. Dabei beschränkt er sich nicht auf Wände, sondern gestaltet sogar Beutel oder Jacken. Er nennt sie seine „laufenden Leinwände“. Als fester Bestandteil des Berlin Swamp Fest malt er jedes Jahr live während des Festivals ein großformatiges Bild im Zaubergarten und lädt so zum Verweilen und Abspacen ein.

Wie bist du zur Kunst gekommen?

Cany: „Ich habe seit frühester Kindheit gemalt. Es gehörte für mich einfach dazu. Mein Vater war selbst ein abstrakter Maler. Er hatte eine Galerie in Eschwege, sodass ich darüber schon immer irgendwie mit der Kunst in Berührung war. Bei einem seiner Galeriefeste war dann ein Graffiti-Künstler zugegen, der live malte. Das beeindruckte mich, also habe ich mir einschlägige Magazine zugelegt und selbst rumprobiert: Zu Hause schmierte ich auf irgendwelchen Platten im Keller rum und probierte hauptsächlich klassische Styles (kunstvolle Buchstaben) aus.

Das war Ende der Neunziger. Damals gehörten Graffiti und Hip-Hop noch untrennbar zueinander. Daher war Hip-Hop auch die erste Musik, die ich aktiv dabei hörte bzw. die Szene, in der ich mich bewegte.“

Wie ging es mit deiner künstlerischen Entwicklung weiter?

Cany: „Eigentlich zeichnet man als Graffiti-Künstler zu den jeweiligen Styles, also Schriftzügen, kleine Figuren oder Characters, um seinen Style stärker hervorzuheben. Aber ich fand gerade diese Kreaturen besonders spannend und habe mich darin weiter ausprobiert.“

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Was ist für deine Kunst bezeichnend?

Cany: „Ich mache kein klassisches Graffiti, sondern gehe eher in Richtung Mural Art. Auf der gegenüberliegenden Seite des Spektrums zum Graffiti befindet sich die Street Art, die auch viel mit Charakteren arbeitet, aber Schablonen verwendet.

Meine Technik ist die gleiche wie beim Graffiti, da ich mit Sprühdosen arbeite. Aber ich verwende Characters, was eher Richtung Street Art geht. Wobei die Street Art grafische Charaktere verwendet und ich sie zeichne. Ich bin also irgendwo dazwischen.“

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Und stilistisch?

Cany: „Ich versuche Monster und Kreaturen zu schaffen, die organisch und mechanisch vermorpht sind. Daraus entstehen oft düstere Motive, wobei das Dunkle oft nicht im Vordergrund steht. Mein Graffiti-Kumpel Rogge und ich haben z. B. mal ein Bild gemalt, bei dem ein Geldschrank als Symbol für die Kapitalgesellschaft mit einer Flügelkreatur kämpft, die die Natur darstellen soll.

Auch beim Berlin Swamp Fest versuche ich immer passende Kreaturen zu finden, die man einer sumpfigen Umgebung zuschreiben würde: ein Krokodil oder eine Art Sumpffee.“

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Sind Vorgaben bei der Motivwahl eher einschränkend oder inspirierend für dich?

Cany: „So lange es nicht zu explizit ist, finde ich es gut. Ich möchte weitestgehend frei arbeiten können – sonst könnte ich ja auch einfach Auftragsarbeiten annehmen. Aber ich versuche eigentlich immer, einen Bezug zur Person zu finden, die meine Kunst am Ende besitzen soll. Mit jedem meiner Stücke wird ja ein Statement abgegeben und ich möchte, dass die Leute sich damit wohlfühlen.“

Wie kam es für dich zum Wechsel vom Hip-Hop hin zur Stoner- / Psychedelic-Szene?

Cany: „Ende der 2000er Jahre kam ich zum Stoner Rock und habe festgestellt, dass in diesem Umfeld viel Kunst entsteht, die mir sehr nahe ist. Auch wenn in der Szene kaum einer mit Graffitis arbeitet, ist der ästhetische Anspruch ähnlich. Und in diese Untergrund-Szene wollte ich mich gern stärker einbringen. Seit 2004 wohne ich außerdem in Berlin.“

Wie bist du zum Berlin Swamp Fest gekommen und was können wir hier von dir erwarten?

Cany: „Ich wollte das Festival um ein Themenfeld erweitern. Wenn ich meine Idee des Live-Malens auf einem Festival das erste Mal bei den Organisatorinnen und Organisatoren vorstelle, begegnet mir meistens Skepsis. Die Organisatorinnen und Organisatoren kennen das einfach noch nicht von anderen Festivals und sehen nicht den kulturellen Mehrwert.  Sie haben eher Angst, dass ich das Gelände vollschmiere und noch einen Haufen Kumpels mitbringe. Aber mittlerweile gibt es ein paar Festivals, auf denen ich live sprühe: Außer auf dem Berlin Swamp Fest noch auch auf dem Freak Valley und dem PSyKa Festival in Karlsruhe.

Für mich ist es eine Erweiterung des Festivals. In einer Galerie hängen meistens bereits abgeschlossene Projekte, Poster oder Shirts, was natürlich auch cool ist. Bei mir können die Besucherinnen und Besucher aber einfach am Nachmittag auf dem Festival vorbeikommen, abhängen und zusehen, wie Kunst live entsteht.“

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Du gestaltest auch Cover und anderes Merchandise für Bands.

Cany: „Ja, man füllt im Laufe der Zeit seine Black Books mit Bleistiftskizzen, die sich andere Leute anschauen. Und dann werde ich hier und da mal gefragt, ob ich ein Poster oder ein CD-Cover gestalten könnte. So begann ich auch vor über zehn Jahren mich für verschiedene Farbmittel und Techniken zu interessieren.

Wenn ich z. B. auf Leinwänden arbeite, probiere ich andere Farbmittel als Sprühfarbe aus. Über Acrylfarben und Tusche kam ich so zu den Gouachefarben, die ich seither verwende. Das sind hochpigmentierte Wasserfarben, die ich als große Farbflächen miteinander vermischen kann. So entstehen während des Mischens Formen, die ich anschließend zu meinen Kreaturen ausarbeite. Erst, wenn ich sie dann fixiere, behalten sie ihre Form. Bis dahin kann ich frei damit rumexperimentieren.“

Welches Trägermaterial hast du außerdem im Laufe der Zeit für dich entdeckt?

Cany: „Ich gestalte auch Backpieces auf Jacken unter dem Pseudonym Boozy Bags. Über viel Trial-and-Error bin ich auch hier auf die Gouachefarbe als gangbare Alternative zur Sprühfarbe gekommen. Diese Farbe lässt sich dünn auftragen, kann bearbeitet werden und ist weitgehend spritzwasserfest. Aber was noch fehlt, ist, dass die Farbe in der Waschmaschine hält. Aber so entstehen ‚laufende Leinwände‘ auf den Jacken. Ich finde es schade, dass meine Kunst auf Leinwänden oftmals nicht mehr für die Öffentlichkeit zu sehen ist. Auch Graffitis werden irgendwann wieder übermalt. Jacken halten einfach länger und man kriegt sie häufiger zu sehen.“

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Wie nimmst du die deutsche Graffitiszene wahr?

Cany: „Es verhält sich ähnlich zur Untergrund-Musik. Die Leute sind sehr gut vernetzt, die Szene ist relativ klein, aber man ist bereit, Hunderte von Kilometern zu reisen, um sich zu treffen, eine gute Zeit zu haben und einander zu unterstützen.“

Welches Motiv ist für dich ein No-Go?

Cany: „Frag jede Graffitikünstlerin und -künstler, die oder den du triffst: Dschungel- und Unterwasserlandschaften! (lacht.) Das ist wie mit dem Unendlichkeitssymbol für Tattoo-Künstlerinnen und -künstler! Ich weiß nicht, woran es liegt, dass sich dieses Motiv immer wieder gewünscht wird.“

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Du bist im Brain Paint Circle. Wer gehört da noch zu?

Cany: „Rogge, mit dem du auch schon gesprochen hast. Mit ihm war ich gerade in Greifswald beim Urban Art. Da malen viele Künstlerinnen und Künstler an freigegebenen Wänden über die ganze Stadt verteilt. “

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Malt ihr dieses Jahr auch auf dem Berlin Swamp Fest wieder zusammen?

Cany: „Das ist noch nicht ganz raus. Vielleicht bin ich dieses Mal allein da.“

Wenn du, wie zuletzt in Magdeburg, eine 16 Meter hohe Wand bemalst: Wie schaffst du es, dass am Ende die Proportionen stimmen?

Cany: „Rogge und ich haben uns da eingegroovt. Wir erstellen vorab eine grobe Skizze, einer geht auf den Steiger und reißt die Umrisse an. Der andere schaut vom Boden aus, ob das mit der Skizze auf dem Papier übereinstimmt. Wenn ich allein bin, kann ich auch mit einem Raster arbeiten, sodass ich dann nur die entstandenen Kästchen ausfüllen muss.“

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Bist du immer noch aufgeregt, bevor du eine Wand bemalst?

Cany: „Ja, klar. Ich mache mir dann oft tagelang vorab Gedanken, wie alles klappen kann. Ich habe auch oft genug mal ein Bild verkackt. Aber in den meisten Fällen konnte man es retten, indem man es überstreicht und neu anfängt.“

Wie lange brauchst du für ein Bild in der Größenordnung wie auf dem Berlin Swamp Fest?

Cany: „Wenn ich nichts anderes machen würde, wäre ich in einem Tag fertig. Aber es soll natürlich ein Entstehungsprozess zu sehen sein, deswegen geht es über zwei Tage. Nur die Skizze bringe ich vorab schon an.

Der Prozess läuft so ab, dass ich die Konturen vorziehe, die entstandenen Flächen dann coloriere und als nächstes mit schwarzer Farbe die Linien der Formen nachziehe. Dann kommen noch die Highlights und die Tiefen dazu. Die Herangehensweise habe ich mir im Laufe der Zeit erarbeitet, sodass ich glaube, dass es etwas Typisches für mich ist.“

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Wie findet dein Vater deine Kunst?

Cany: „Er findet es gut und ist teilweise sehr fasziniert von meiner Arbeit. Auch wenn er nicht immer alles versteht, was ich da mache. Er hat früher selbst viel mit Acryl oder Kreide gezeichnet. Im Familienurlaub hat er oft Landschaften gemalt. Er hatte auch mal eine Phase, in der er nur Clowns gemalt hat.“

Hast du gerade eine Phase?

Cany: „Das Herumexperimentieren mit Farben ist auf jeden Fall geblieben. Das geht mit der Graffititechnik sehr gut und man kann Übergänge zwischen den Farben sehr gut abbilden.“

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Wirst du auf dem Berlin Swamp Fest ausstellen?

Cany: „Wahrscheinlich nicht. Ich mache das Live-Malen und habe noch ein oder zwei Jacken für die Tombola dabei.“

Welche Künstlerinnen und Künstler inspirieren dich?

Cany: „Ich mag Comics aus den Siebziger bis Neunziger Jahren. Vor allen Dingen Crumb als Teil der Low-Brow-Bewegung inspirieren mich mit ihren popkulturellen Referenzen. Die kommen auch aus der Rock-Ecke und haben viele psychedelische Einflüsse in ihren Bildern.“

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Wie wichtig sind die sozialen Medien für deine Arbeit?

Cany: „Ich glaube, sie sind wichtiger, als ich sie nehme. Man arbeitet als Graffiti-Künstler bzw. -Künstlerin häufig nur für das Foto. Denn allzu lange bleiben die meisten Bilder nicht auf der Wand stehen. Und das lade ich dann bei Facebook oder Instagram hoch, um andere Leute zu begeistern und eine gewisse Reichweite zu erhalten.

Aber das Problem ist, dass es bei Facebook und Instagram eigentlich nur noch über Bezahlung möglich ist, andere zu erreichen. Und das ist mir ehrlich gesagt zu doof. Natürlich will ich gern mehr Leute mit meiner Kunst begeistern, aber nicht gegen Geld in den sozialen Medien, sondern lieber im realen Leben. Ich glaube, dass man auch weiterkommt, wenn man gut ist und lange genug dabeibleibt. Zumindest hoffe ich das. Das ist vielleicht nicht so schnell und sprunghaft, aber es ist nachhaltiger.“

Wie nimmst du die Berliner Untergrundszene wahr?

Cany: „Berlins Szene ist offen und viel friedlicher als z. B. die Hip-Hop-Szene, aus der ich komme. Die Stadt bietet viele Möglichkeiten für kreative Menschen, das liegt auch an ihrer Größe. In anderen Städten, wie Kassel, sind die Leute eingeschworener und man kann auch viel machen. Aber es sind kleinere Grüppchen, die aufeinander angewiesen sind.“

Was ist deine Lieblingslocation in Berlin?

Cany: „Ich bin immer gern in der Zukunft. (lacht) Für mich ist das eine wunderschöne Location und Rückzugsmöglichkeit. Die Zukunft am Ostkreuz hat eine gemütliche Wohnzimmeratmosphäre. Man kann sich mit vielen Leuten unterhalten, die ähnlich gesinnt sind. Obwohl man mitten in der Stadt ist, ist man auch ein wenig ab vom Schuss.“

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Zu welcher Musik schwingst du am liebsten den Hintern?

Cany: „Es ist gar nicht so leicht, mich da festzulegen. Vom guten alten Doom bis hin zu Stoner oder Psychedelic Rock höre ich mich eigentlich durch alles. Auch Klassiker der Blues und Rock-Musik aus den Sechziger und Siebziger Jahren, Bands aus der Zeit des New Wave of British Heavy Metal und die eine oder andere Funk-Platte landet in meiner Playlist. Beim Zeichnen stehe ich tendenziell eher auf Instrumentales. Ist aber kein Muss.“

Was ist dein Lieblings-Ort für Kunstprojekte?

Cany: „The Haus fand ich sehr gut. Die Kunstsachen im Urban Spree gefallen mir. In Lichtenberg gibt es eine coole Hall of Fame, in der Nähe vom Sisyphos. Aber genauer würde ich jetzt nicht werden wollen. (lacht) Die sind zwar legal, aber sollen nicht für jeden zugänglich sein.“

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Cany the Kizard auf Instagram: https://www.instagram.com/cany_the_kizard/

Cany Cartoon auf Facebook: https://de-de.facebook.com/cany.cartoon

Brain Paint Circle: https://www.facebook.com/brainpaintcircle/

Boozy Bags: https://www.facebook.com/BoozyBags/

Berlin Swamp Fest: https://www.facebook.com/BerlinSwampFest/

Titelbild: © Christian Schlieker / Swamp Conspiracy

allen anderen Bilder: © Cany the Kizard

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